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YONEDA Chiyono (YONEDA Chiyono)
Geschlecht weiblich  Alter zum Zeitpunkt des Atombombenabwurfs 18 
Aufgenommen am 2006.10.9  Alter bei der Aufnahme 79 
Aufenthaltsort zum Zeitpunkt des Atombombenabwurfs Nagasaki(Entfernung vom Epizentrum:1.0km) 
Hall site Nationale Friedensgedächtnishalle für die Atombombenopfer von Hiroshima 
Synchronisation/
Untertitel
Untertitel 
YONEDA Chiyono war damals 18 Jahre alt. In Abura-machi, 1 km vom Explosionszentrum entfernt, wurde sie Opfer der Atombombe. Anstatt zur Arbeit zu gehen, war sie mit ihren Geschwistern auf einem Berg, um Kiefernöl zu sammeln. Da wurden sie von der Druckwelle fortgeblasen. Wie bei einem Unwetter prasselten Feuerbälle auf den Boden nieder. Ihr Rücken war kohlschwarz verbrannt, und an der rechten Hand war sie so schwer verletzt, dass die Knochen zu sehen waren. Als sie vom Berg herunter kam, entsetzte sie der Anblick der Menschen. Allen hingen Hautfetzen vom Körper.
 
Meine Freundinnen arbeiteten in einer Waffenfabrik. Da mein Onkel aber das Arbeitsamt leitete, kam ich als Lehrling in einer Schneiderei in Shiroyama-machi unter. Aber bald wurde der Krieg auch in unserer Schneiderei spürbar: Immer mehr Soldatenuniformen wurden zum Ausbessern gebracht. Jeden Tag saßen wir an den Nähmaschinen und mussten Hosen und Gamaschen flicken.
 
【Der 9. August】
Am Morgen dieses Tages gab es Fliegeralarm. Daher blieb ich zu Hause. Der Alarm wurde jedoch aufgehoben. Jetzt hätte ich sofort zur Arbeit gehen müssen. Ich tat es aufgrund der sengenden Hitze aber nicht und entging dadurch knapp dem Tod. Alle meine Kolleginnen, die zur Arbeit gegangen waren, starben. Meine kleine Schwester ging damals in die erste Klasse der Nagasaki Junshin Girls High School. Sie sagte: „Ich muss Kiefernöl in die Schule bringen. Wenn du nicht zur Arbeit gehst, könntest du doch mit mir welches holen gehen?" So ging ich mit ihr und meinem kleinen Bruder auf den Berg. Unterwegs traf ich zufällig MASUDA Yuki, meine ehemalige Schulkollegin. Sie war mit ihrer Mutter zum Jäten des Kartoffelfeldes gekommen. Wir hatten uns lange nicht gesehen, setzten uns - mit dem Rücken zum späteren Explosionsort - und plauderten über Verschiedenes.
 
In dem Augenblick, als die Atombombe fiel, wusste ich nicht, was passiert war. Ich hatte für kurze Zeit das Bewusstsein verloren. Wir drei waren zuvor nebeneinander gesessen, wurden dann aber durch die Luft geschleudert und lagen nun weit von einander entfernt auf dem Bauch. Als Yuki mit lauter Stimme "Hilf mir, lieber Gott!" schrie, kam ich wieder zu Bewusstsein. Über mir hörte ich ein lautes Geräusch, als würde etwas zerspringen. Ich sagte: „Yuki, beweg' dich nicht, sonst trifft dich ein feindlicher Flieger!" Als das Geräusch endete, prasselten kleine, Funken sprühende Feuerbälle wie ein heftiger Wolkenbruch auf die Erde.
 
Da ich mich um meine Geschwister sorgte, sprang ich vom Boden auf und lief Richtung Berg. Da kamen sie weinend gelaufen und fragten mich: „Chiyono, wo hat die Bombe eingeschlagen?" Meine Schwester sah meine rechte Hand und sagte: „Du blutest!" Meine Hand war gebrochen und etwas Weißes - vermutlich ein Knochen - war zu sehen. Ich verspürte jedoch keinen Schmerz. Ich verstand noch immer nicht, was passiert war, und so ging ich gemeinsam mit meinen Geschwistern weiter bergwärts. Yuki und ihre Mutter folgten uns. Yuki sagte: „Oh, Chiyo, dein Rücken ist nackt und ganz verbrannt!" Ich war überrascht und berührte meinen Rücken. Schwarze Haut löste sich ab und blieb an den Händen haften. Seltsamerweise konnte ich den Schmutz von den Händen nicht abwaschen.
 
Ich trennte mich von Yuki und ihrer Mutter und stieg mit meiner Schwester und meinem Bruder den Berg hinab. Als wir aus dem höhergelegenen Bambuswald hinter unserem Haus hervortraten, war ich entsetzt: Viele Leute waren aus der Stadt geflohen - Männer wie Frauen. Alle waren fast nackt und saßen mit gesenktem Kopf auf dem Boden. Ihre Gesichter waren schwarz und die Haut hing ihnen bis zu den Knien. Auch die Haut auf Armen und Beinen hatte sich gelöst und hing herunter. Sie saßen schweigend mit gesenktem Kopf da. Ich drängte mich entschuldigend durch die Menge. Als ich nachhause kam, war es Abend.
 
Mein Vater war zur Zeit des Bombenabwurfs zuhause, weil er ein Augenleiden hatte. Er war unter Trümmern begraben, blutverschmiert und hatte sich seine zahlreichen Wunden mit Lumpen verbunden. Meine Mutter war hingegen gerade dabei gewesen, unser Tarokartoffelfeld zu jäten. Die Brandwunden im Gesicht hatte sie mit Kürbiskernbrei bedeckt. Meine Eltern sagten: „Da der Berg in Flammen stand, dachten wir schon, ihr würdet nicht mehr zurückkommen." Sie freuten sich, dass wir am Leben waren.
 
Was meine Cousins angeht, so war ihr Vater beim Militär. Daher zog die Mutter ihre drei Söhne neben der landwirtschaftlichen Arbeit alleine auf. Sie war beim Unkrautjäten im Reisfeld, als die Atombome abgeworfen wurde. Das Wasser auf dem Feld wurde kochend heiß und verbrühte sie an Bauch und Beinen. Am Rücken erlitt sie Verbrennungen durch die Wärmestrahlung der Bombe. Die Kinder hatten um ihre Mutter herum gespielt. Nun war ihr ganzer Körper verbrannt. Die ganze Nacht riefen sie ständig nach Wasser, weil sie so großen Durst hatten. Die Mutter bat: „Gebt ihnen doch bitte jemand  Wasser!" Aber mein Vater lehnte das ab. Sie würden sonst sterben, meinte er. So bekamen sie keines. Bald hörte man nichts mehr, die Kinder waren gestorben.
 
Am Morgen versuchten wir, sie nach draußen zu bringen. Doch die Haut löste sich von ihrem völlig verbrannten Körper, sodass man sie nicht richtig tragen konnte. Wir wickelten sie in Lumpen und legten sie in eine Ecke des Gartens. Ich war entsetzt von ihrem Anblick. Sie sahen aus wie aufgeblasene schwarze Müllsäcke. Nur Arme und Beine waren zu erkennen. Wir konnten weder ihre Gesichter, noch Augen, Nasen oder Münder erkennen. Daher legten wir sie nach Körpergröße hin; zuerst Yoshi, den Größten, dann Yasu und zuletzt den Kleinsten. Auch ihre Finger waren so verbrannt, dass praktisch nichts mehr davon übrig war. Mein Vater verband ihre Hände miteinander und holte in einer verbeulten Waschschüssel Wasser vom Brunnen. Er sagte: „Ich bin schuld. Ich wollte nicht, dass ihr sterbt und deshalb habe ich euch kein Wasser gegeben, obwohl ihr so großen Durst hattet. Verzeiht mir. Stillt euren Durst und ruht in Frieden." Laut weinend goss er Wasser in ihren Mund. Ich war damals 19 Jahre alt und hatte meinen Vater noch nie so weinen gesehen. Dann gaben wir ihnen alle abwechselnd Wasser.
 
Bald kamen viele Menschen über den Berg. Sie gingen in Reih und Glied auf der Straße vor unserem Haus vorbei. Auf der Suche nach Verwandten waren sie in die Stadt unterwegs. Da wurden wir vom Feind unter Maschinengewehrfeuer genommen. Vor unseren Augen starben einige Menschen. Wir hatten Angst, weil wir nicht wussten, wann und woher der Feind kommen könnte. Leider konnten wir meine Cousins weder begraben noch einäschern. Der Rauch hätte den Feind angelockt. Deshalb ließen wir sie so liegen und flohen in den Luftschutzkeller und in den Abflussgraben. Dort harrten wir schweigend bis zum Abend aus.
 
【Behandlung der Verletzungen】
Am nächsten Tag bemerkte ich, dass meine Hand gebrochen, meine Beine und mein Gesicht angeschwollen waren. Auch meine Augen waren so stark geschwollen, dass ich nichts mehr sehen konnte. Vier Tage nach dem Bombenabwurf erhielten wir Nachricht, wir mögen kommen, denn Ärzte wären da und Reisbällchen würden verteilt. Da ich nicht gehen konnte, trug mich mein Cousin auf dem Rücken nach Hause. Unser Garten war zu einer Rettungsstation umfunktioniert worden. Ich weiß nicht, ob es Ärzte waren, aber drei Soldaten in Uniform behandelten dort nacheinander die Verwundeten. Als ich an die Reihe kam, berührten sie abwechselnd die gebrochene Stelle. Selbst bei der sanftesten Berührung hätte ich vor Schmerz aufspringen können. Dann sagten sie: „Eine gebrochene Hand können wir hier nicht behandeln."
 
Sie meinten aber, dass die Verbrennungen auf dem Rücken schnell versorgt werden sollten. Dazu legten sie mich hin. Dann hielt einer meinen Kopf, ein anderer meine Beine fest. Mein ganzer Rücken war verschorft, und Eiter hatte sich gebildet. Ein Soldat löste den Schorf ab, danach wurde dort Jodtinktur aufgetragen. Ich sprang auf vor Schmerz: Schon das Ablösen des Schorfs hatte furchtbar weh getan, aber das Jod auf der Wunde war unerträglich. Obwohl ich vorher nicht hatte gehen können, rannte ich jetzt angetrieben von den Schmerzen zurück zum Luftschutzbunker und weinte bis zum nächsten Morgen.
 
Am fünften Tag meinte mein Cousin, der aus der Präfektur Saga zurückgekommen war:„Salzwasser hilft gegen Verbrennungen“ und er benetzte die verbrannte Haut damit. Bis dahin hatte ich Öl und Kürbiskernbrei aufgelegt, trotzdem trat weiterhin Eiter aus. Durch das Salzwasser bildete sich tatsächlich kein Eiter mehr, und die Verbrennungen heilten. Wenn ich meine Hand nicht rasch behandeln ließe, müsse ich sterben, meinte mein Cousin. Er hatte einen reifenlosen Fahrradanhänger gefunden. Damit wollte er mich zur Rettungsstation bringen. Aber bevor wir mit dem Anhänger 10 Meter auf der holprigen Straße zurückgelegt hatten, wimmerte ich vor Schmerzen: „Ich will nicht weiter. Ich will nicht hin, ich sterbe lieber hier.“ So trugen mich meine Cousins abwechselnd auf dem Rücken. Aber die Rettungsstation hinter dem Stadtteil Hamano-machi war zu weit weg. Daher brachten sie mich zu einem der Versorgungszelte, die die medizinische Universität Nagasaki eingerichtet hatte.
 
Sofort nach der Untersuchung sagte der Arzt: „Wenn wir Ihre Hand nicht sofort amputieren, werden Sie sterben." Mein Vater, der ohne mein Wissen und blutverschmiert mitgekommen war, flehte den Arzt verzweifelt an: „Sie ist ein Mädchen, lassen Sie ihr bitte die Finger!" Dieser antwortete: „Momentan müssen wir nur die Hand amputieren, im schlimmsten Fall aber den ganzen Arm." Ich hatte solche Schmerzen, dass es mir gleich war, ob es nur die Hand oder der ganze Arm sein würde. Hauptsache, es würde mir danach besser gehen. Dann ging mein Vater auf die Knie und flehte abermals: „Sie ist ein Mädchen. Bitte lassen Sie ihr die Finger!" Meine Hand ist zwar hässlich, mit den Fingern kann ich aber immerhin gewisse Arbeiten erledigen. Das habe ich wirklich Vaters Bitten zu verdanken.
 
Während der Operation wurde ich immer wieder bewusstlos, da ich nur eine wenig Schmerzmittel erhalten hatte. Um mich möglichst bei Bewusstsein zu halten, spritzte man mir Wasser ins Gesicht. Es gab auch keine Verbände, daher wurde meine Hand mit einem Holzstück fixiert und mit Lumpen umwickelt. Danach ließen sie mich wenigstens eine Nacht im Zelt schlafen. Im Zelt lagen Bombenopfer, die von Maden befallen waren. Immer, wenn sich die Maden bewegten, krümmten sie sich vor Schmerzen. Sie schrien die ganze Nacht: „Töte mich! Befrei mich von den Maden!“ Es war furchtbar. Am nächsten Morgen desinfizierte der Arzt meine Hand und wechselte den Verband aus Lumpen. Dann trug mich mein Cousin auf dem Rücken nach Hause. Von nun an kam er zwei Monate lang jeden Morgen, um meine Hand zu desinfizieren und den Verband zu wechseln.
 
Eines Tages sagte er: „Du brauchst jetzt keine Schiene mehr, die Verletzung kann so ausheilen. Ich bin wirklich erleichtert." Dann kam er nicht mehr. Als ich mich darüber wunderte, dass mein Cousin die letzten beiden Tage nicht da gewesen war, teilte mir einer seiner Freunde mit, mein Cousin wäre gestorben. Er sagte: „Ich kümmere mich um dich, bis deine Verletzung ausgeheilt ist.” Mein Cousin hatte ihn anscheinend darum gebeten. Als die Atombombe fiel, war mein Cousin in der Präfektur Saga gewesen. Deswegen blieb er von der Bombe verschont. Aber danach war er sofort nach Nagasaki gekommen, wodurch er sich wohl radioaktiver Strahlung ausgesetzt hatte. Er hatte sogar auf Schlaf verzichtet, um nicht nur seine Verwandten sondern auch viele andere Menschen medizinisch zu betreuen. Er starb mit 22 Jahren.
 
【Vorurteile】
Nachdem ich nach Tokio gezogen war, erlebte ich erstmals Diskriminierung gegen Atombombenopfer. Der Vorfall ereignete sich, als mir meine Schwiegermutter aus Iwakuni Ende Dezember Lotoswurzeln schickte. Wir hatten drei Kinder, die, wie sie meinte, sicherlich immer wieder Lärm machten. Also schickte sie eine große Menge, damit ich mich bei unseren Nachbarn erkenntlich zeigen konnte. Ich teilte die Lotoswurzeln in mehrere Portionen auf und brachte sie den vier Nachbarsfamilien. Am nächsten Tag fand ich alle Lotoswurzeln beim Müll. Seltsamerweise waren sie noch original verpackt. Danach kam ein Junge zu uns, um gemeinsam mit meiner jüngeren Tochter in den Kindergarten zu gehen. Sobald er mich sah, sagte er: „Wir dürfen diese Lotoswurzeln nicht essen, sonst überträgt sich die Atombombenkrankheit auf uns." Dann bemerkte er zu meiner Tochter: „Iss sie nicht, sonst wirst du sterben!“ Bis dahin hatte ich gar keinerlei Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht. In Iwakuni gab es nämlich auch viele Atombombenopfer. Ich antwortete dem Kind: „Diese Lotoswurzeln haben mit der Atombombe nichts zu tun, sie kommen aus Yamaguchi, davon wirst du schon nicht sterben." Etwas anderes wusste ich nicht zu sagen.
 
【Was ich weitergeben möchte】
Es gibt viele junge Menschen, denen der Frieden gleichgültig ist, die sich Kriege sogar wünschen. So etwas zu hören ist wirklich bedauerlich. Sie meinen einfach so, sie würden mitkämpfen und sogar im Krieg sterben wollen. Wenn sich unter Jugendlichen so eine Einstellung verbreitete, wäre es schlimm. Das ist meine größte Sorge. Wir dürfen auf keinen Fall mehr Krieg führen. Sollte ein Staat planen, Atombomben zu bauen, wünsche ich mir, dass wir alle entschieden Protest einlegen. Dieses Anliegen betone ich jedes Mal, wenn ich in Firmen oder Krankenhäusern von meinen Erfahrungen erzähle.
 
Übersetzung: MA-Studierende des Zentrums für Translationswissenschaft der Universität Wien (SoSe 2016)
Redaktion: Dorit Illini-Ganster, Yasuko Yamamoto
Koordination: NET-GTAS (Network of Translators for the Globalization of the Testimonies of the Atomic Bomb Survivors) 
 
 

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