Zum Zeitpunkt des Abwurfs arbeitete er im Mitsubishi-Stahlwerk im Mori-Viertel, 1,2km entfernt vom Explosionszentrum. Überrascht von einem Aufblitzen, das die gesamte Umgebung rosa färbte, rannte er aus der Fabrik, wurde jedoch durch die Explosionswelle zurückgeschleudert und unter einem Stahlträger begraben. Im Bombenhagel, der die ganze Nacht andauerte, unfähig sich zu bewegen, erwartete er den Tod. Endlich zuhause angekommen empfing ihn ein grauenhafter Anblick.
Nagasaki ist eine stimmungsvolle Stadt, in der sich die Kultur des Ostens und Westens vermischen. Auf einer Anhöhe, von der aus man den Hafen sehen konnte, befanden sich auf einem sehr weiten Platz viele Wohnungen. Von dort sahen wir herab und führten ein angenehmes Leben.
Meine Mutter machte hauptsächlich Feldarbeit, mein Vater gehörte zur Zivilgarde der Stadt. Er bereitete Kochstellen zur Zubereitung der Notfallrationen in der Stadt vor. Meine Eltern waren 53 Jahre alt. Sie waren gesund und bei ihren Mitmenschen beliebt. Sie gaben für die Stadt und Nachbarschaft alles. Wir Kinder waren stolz auf unsere Eltern und respektierten sie sehr. Wir wuchsen in einer liebevollen Familie auf.
Ich besuchte eine Technikschule, die Ausbildungsschule von Mitsubishi Steel. Ich war 14.
Drei Tage die Woche war ich in der Fabrik, drei Tage in der Schule.
【9. August】
Als der Jüngste, als Kind, wurde ich an diesem Tag kurz vor 11 Uhr zur Sammelstelle geschickt,
um die Lunchpakete für die 300 Fabrikangestellten abzuholen. Also ich dort war ereignete sich die Explosion. Rosa, die Berge und alles andere waren rosa. Es wurde rosa, und es gab so ein Geräusch, als ob die Erde oder die Berge bersten würden.
Ich floh nach Norden, Richtung Zentrum. Wir dachten nämlich, die Rüstungsfabrik, in der wir uns befanden, wäre direkt bombardiert worden und rannten aus dem Gebäude. Ungefähr zehn Meter mochte ich in Richtung Zentrum gerannt sein, da wurde ich mit Wucht in die Luft und wieder in das Innere der Fabrik zurück geschleudert.
Ich war in einem Stahlgerüst eingeklemmt, und kam wieder zu Bewusstsein, als die Sonne unterging. Ich wollte nach Rettung rufen. Nachdem ich immer wieder verzweifelt "Hilfe!" gerufen hatte, kam jemand um mich zu retten. Es war der Boss. Um 11:02 Uhr war die Atombombe abgeworfen worden; er hatte überlebt und mich die ganze Zeit gesucht. Da er meine Stimme gehört hatte - sein Name war HONDA Kumao - rettete er mich.
Als er mich auf seinen Rücken nahm, verspürte ich einen heftigen Schmerz. Mein rechter Oberschenkel war nämlich gebrochen. "Herr Honda, ich kann auch hier sterben. Lassen Sie mich einfach hier. Ich schaffe es nicht aus der Fabrik heraus." "Setzen Sie mich doch hier ab!", schrie ich weinend vor Schmerzen. Es war so schlimm. Aber Herr Honda sagte: "Nein", und brachte mich nach draußen. Danach sagte er: "Ich mache mir Sorgen darum, wie es wohl zuhause aussieht. Ich gehe sicherheitshalber einmal hin. Bleib du hier." Aber obwohl ich lange wartete, kam er nicht zurück, auch als es schon dunkel wurde. Allmählich wurde es dunkel, der Himmel war glutrot, ringsherum brannten die Schule und die Häuser, und die Funken fielen mir aufs Gesicht. Da ich bewegungsunfähig war, konnte ich ja nicht einmal die Funken abstreifen. Ich lag einfach nur da. Dann kamen die Grumman-Flugzeuge, lautes Maschinengewehrfeuer ertönte und Leuchtfackeln sowie Brandbomben wurden abgeworfen.
So ging es die ganze Nacht lang. Nicht wissend, ob ich gleich sterben würde, bereitete ich mich auf das Schlimmste vor. Solch eine Nacht war es.
【Rettung durch den großen Bruder】
Herr Honda konnte danach nicht zu seinem Haus heimkehren. Sein Haus befand sich im Nishizaka-Viertel, direkt über dem Bahnhof Nagasaki. Er konnte nicht nach Hause, und kam erst am nächsten Morgen über den Urakami-Fluss, erzählte er. Als er dort laut "Ist Familie Nakamura hier?" rief, war gerade mein großer Bruder in der Nähe, der auch nicht nach Hause konnte, so dass sie einander zufällig begegneten. "Sind Nakamuras hier?" Und mein Bruder antwortete "Ich heiße Nakamura." Er fragte ihn: „Kennen Sie NAKAMURA Akira vom Stahlhersteller Mitsubishi?" Mein großer Bruder antwortete: „Das ist mein kleiner Bruder." Am Morgen kamen sie mich zusammen retten. Diesen Moment kann man nicht beschreiben. Ich war unglaublich glücklich und bewegt, überlebt zu haben.
Ich wurde auf einer Bahre zur Rettungsstation gebrach. Als wir die Fabrik verließen, stand im Urakami Bezirk kein einziges Haus mehr. Sie lagen in Schutt und Asche und von überall stieg nur noch Rauch empor. Vereinzelt tauchten menschliche Gestalten auf, und ich sah Menschen vorbeigehen, deren Haut wegen erlittenen Verbrennungen herunterhing. Wir begaben uns zur Rettungsstation an der Grundschule, die ungefähr zwei Kilometer entfernt lag. Dort war es bereits voller Leute und es gab nur Merbromin. Bandagen und Sonstiges waren nicht vorhanden. Wir waren umsonst hingegangen. Richtige Ärzte gab es ebenfalls nicht. Dort waren zwar zwei Personen, die Militärärzte zu sein schienen, aber da sie nicht behandelten, es also sinnlos war, wurde ich auf einer Trage heimgebracht.
Kurz darauf traf ich zufällig auf meinen besten Freund aus Kindheitstagen, mit dem ich oft zusammen gespielt hatte. Sein Name war NIWATANI Yutaka. Er war völlig unverletzt. Dass er in einem Luftschutzraum war, hatte ihn gerettet, sagte er. Er sagte, er würde kurz nach Shimabara gehen und dann zurückkommen. Dies war unser Abschied, denn drei Tage später, als ich im Luftschutzbunker lag, hörte ich das Gerücht, dass er gestorben sei. Das war wirklich traurig. Ich komme nicht darüber weg. Wäre er noch am Leben, hätten wir so viel zusammen machen können. Das bedaure ich furchtbar.
【Tod in der Familie】
Als ich unser Haus erreichte, war es abgebrannt. Dort hatte meine Mutter, die Landwirtschaft betrieben hatte, für Notfälle mit Weizen gefüllte Tonkrüge vergraben. Aus ein oder zwei dieser Krüge stieg Rauch auf. Als wir zum Luftschutzbunker kamen, wartete meine Mutter dort auf meine Rückkehr. Mein Vater lag im Luftschutzbunker und hatte Verbrennungen am ganzen Körper. Der Kopf war die einzige Stelle, die frei von Verbrennungen war, da er dort seine Mütze trug. Er atmete nur noch schwach. Mein Vater hatte Verbrennungen erlitten, ich war verletzt und meine ältere Schwester Sumako war nicht nach Hause zurückgekehrt. Meine Mutter war deshalb so besorgt, dass sie nicht stillsitzen konnte.
Und an dem Abend, an dem ich endlich zu meiner Familie zurückkehrte, starb mein Vater.
Am darauffolgenden Tag verbrannten meine Mutter und meine Geschwister unseren Vater beim eigenen Haus. Da ich mich nicht bewegen konnte, blieb ich im Bunker zurück. Meinen Vater zu verbrennen war hart. Einen durchs Feuer ums Leben gekommenen Menschen wiederum zu verbrennen. Es schmerzt mich wirklich sehr darüber nachzudenken, welche Trauer und welchen Schmerz meine Familie beim Verbrennen meines Vaters empfunden haben muss. Es ist wirklich schrecklich, dass Kinder so etwas Furchtbares tun mussten, wie ihre eigenen Eltern zu verbrennen. Wegen des Krieges musste man solche Dinge tun. Es darf nicht noch einmal zu einem Krieg kommen.
Meine Schwester war 20 Jahre alt und hatte in einer Waffenfabrik von Mitsubishi (Heavy Industries) gearbeitet. Weil die Fabrik in zwei Standorte aufgeteilt war, Ibinokuchi und Ohashi, sorgte sie jeden Tag per Bahn für die Kommunikation zwischen den beiden Zweigstellen. Darum wussten wir nicht, wo sie gestorben war, sie war vermisst. Nachdem mein Bruder unseren Vater verbrannt hatte, suchte er auf Bitte unserer Mutter von früh bis spät in Schulen und verschiedenen Rettungsstationen in Nagasaki nach unserer Schwester, jedoch fand er sie nicht und gab schließlich die Hoffnung auf. Da mein Bruder nicht mehr nach ihr suchen konnte, holte er aus der Fabrik Mitsubishi die sterblichen Überreste des einzigen Opfers, das nicht zugeordnet werden konnte. Obwohl es nicht wirklich meine Schwester war, haben wir die Gebeine in Gedenken an sie bestattet. Im Krieg habe ich wirklich bittere, traurige, grässliche Dinge erlebt.
Am 18. September, etwa 5 Wochen nach dem Atombombenabwurf, starb meine Mutter. Drei oder vier Tage vor ihrem Tod tauchten auf ihrem gesamten Körper Flecken auf. Ich lag auf der Trage und meine Mutter daneben. Im Bunker sammelte sich immer das Wasser wenn es regnete, deswegen baute uns mein Bruder eine kleine Hütte in der Form einer zusammengebundenen Dachkonstruktion. Dort waren drei Tatamimatten ausgelegt, auf denen wir lagen, aber plötzlich brach meine Mutter entkräftet zusammen. An ihrem ganzen Körper waren schwarze Flecken und sie hatte Blut im Stuhl. Mein Bruder kümmerte sich drei Tage und drei Nächte um sie, ohne zu schlafen, doch am Morgen des 18. September starb sie.
Bevor meine Mutter starb, rief sie uns drei Geschwister — meinen großen Bruder, mich, und meine kleine Schwester — zu sich und sagte uns, wie wir weiter leben sollten. Mein Bruder sollte eine Frau finden und ich sollte zum Marine-Krankenhaus in Ureshino, in der Saga Präfektur, der Heimat meiner Eltern, um dort behandelt zu werden. Meine Schwester sollten wir zu Verwandten geben. Und das buddhistische Totengedenken sollten wir in Ureshino in Saga halten und den weißen Zucker, den sie im Luftschutzbunker zurückgelegt hatte, verwenden. Das ordnete unsere tapfere Mutter klar an, und starb dann am Morgen. Mein älterer Bruder sammelte erneut Holz und äscherte unsere Mutter ein. Doch wir hatten nicht mal eine Urne, in welcher wir ihre Knochen aufbewahren konnten. Wir mussten ihre Knochen in eine zerbrochene Essschüssel legen - gibt es etwas elenderes? Wir konnten die Überreste nicht einmal feierlich bestatten.
【Spätfolgen】
Ich sollte operiert werden, um den Beinbruch zu heilen, aber als Folge der Atombombe waren meine Leukozyten auf 550 gesunken. Wenn man die Operation durchgeführt hätte, wäre ich aufgrund des Blutverlustes gestorben. Deshalb konnte ich nicht operiert werden, solange sich die weißen Blutkörperchen nicht vermehrten. Ich kehrte nach Nagasaki zurück und wollte mich zwei, drei Jahre später, nachdem die Leukozyten sich vermehrt hatten, operieren lassen, aber die Muskeln hatten sich verhärtet, und eine Operation war nicht möglich. Nach dem heutigem Stand der Medizin hätte ich vielleicht geheilt werden können, aber damals war das nicht möglich. Mein Bein blieb so. Deswegen bin ich jetzt körperlich beeinträchtigt und eins meiner Beine ist nun 5 cm kürzer als das andere.
【Eine neue Heimat suchen】
Wenn ich in Nagasaki bin, kommen mir meine älteren und jüngeren Mitschüler und meine Freunde in den Sinn, aber wir haben in Nagasaki keine Klassenkameraden mehr. Sie sind alle durch die Atombombe gestorben, so dass es auch keine Klassentreffen für uns gab. Kann man in so einer Stadt leben? Ein Mensch braucht doch zum Leben die Unterstützung anderer. Ich hatte doch mit der Zuneigung und Treue von nahestehenden Menschen und Nachbarn gelebt.
In einem Nagasaki, in dem ich weder Freunde noch sonst jemanden hatte, konnte ich nicht bleiben und musste irgendwo eine neue Heimat finden.
【Was ich weitergeben möchte】
Ich denke, dass künftige Kriege große Kriege, Atomkriege sein werden, bei denen sich beide Seiten gleichermaßen zerstören werden. Ich möchte, dass die Schrecken der Atombombe im ganzen Land in die Lehrpläne aufgenommen werden. Was für Elend und Trauer man empfindet. Auch wenn man überlebt hat, bleibt es ein Leben voller Furcht. Wenn man diesen Schrecken in die Lehrbücher einbringt, dieses vermitteln würde, ich glaube, dann würde es nicht mehr zu Krieg kommen. Die Bildung der Kinder steht da an aller erster Stelle. So viele Menschen sind der Atombombe bereits zum Opfer gefallen. Ich möchte, dass die jungen Leute ihnen dankbar für den Frieden sind und dass sie am dauerhaften Frieden festhalten. Ich möchte, dass solche Bildung denjenigen, die den Krieg nicht miterlebt haben, vermittelt wird.
Übersetzung: Studierende der Ruhr-Universität Bochum, Seminar geleitet von Professor KIDO Eiichi
Übersetzungredaktion: Annette HANSEN
Übersetzungskoordination: NET-GTAS (Network of Translators for the Globalization of the Testimonies of Atomic Bomb Survivors)
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